Mittwoch, 17. Juni 2015

Wer sind eigentlich die armen Seelen hinter den Kameras der Streetstyle-Fotos?

Mit LesMads ging das alles los. Bereits 2007 bloggte Jessie Weiß zusammen mit Julia Knolle auf dem ersten von mir wirklich gelesenen Fashion-Blog. Damals fing ich gerade an, zu studieren und Blogs oder die Beschäftigung mit Mode, Lifestyle und Trends galten als oberflächliches Hobby - nicht als Beruf oder gar Business. Jessie und Julia posteten teilweise ihre eigenen Outfits, aber auch oft Bilder von aktuellen Shows oder Editorials. Ich erinnere mich besonders an den Aufruf an die Leserinnen, ihr Silvester-Outfit zu posten. Da erschienen dann im Halbdunkel halbherzig aufgenommene Bilder von Mädels in Zara- und H&M-Glitzer-Kleidchen. Süß.

Nach und nach wurden Outfit-Posts immer professioneller. Auf lookbook.nu bewunderten alle Chiara Ferragni, bei der die Fotos (nicht die Outfits) schon damals richtig erstklassig aussahen. Im Laufe der Jahre wuchs die Anzahl der Blogs und der Plattformen, auf denen man Streetstyles und Fotos von Bloggern verfolgen konnte. Myspace oder StudiVZ wurden - für mich - irgendwann durch Instagram, Tumblr, Pinterest und so weiter und so weiter abgelöst. Lange Zeit nur als stiller Beobachter der Profile von vielen Mädels, die fast täglich ihre manchmal Designer-, manchmal H&M-Errungenschaften zeigten. Was ich sah, gefiel mir. Das hatte zwei Gründe:

Erstens Inspiration und zweitens Mut zur Selbstakzeptanz. Bis ich 19 war, bestand meine Garderobe nämlich aus Jeans, monochromen Trägertops, Baumwoll-Cardigans und Ballerinas. Aber nicht so French-Wardrobe-Five-Pieces-Minimal-Chic-mäßig, sondern einfach nur gähnend langweilig und nichtssagend.
Die Streetstyle-Bilder Ende der 00er Jahre eröffneten mir eine unbekannte, faszinierende Welt und waren eine wahre Schatztruhe an neuen Ideen und Kombinationen. Wie quirlig manche Leute die verrücktesten Teile mixten oder Haut zeigten, ohne dabei obszön zu wirken oder durch ihren Stil ganz bewusst eine bestimmte Ära, einen Film oder Musik heraufbeschworen.
Mut zum Anderssein, Mut, sich ganz individuell auszudrücken, sich vielleicht auch ein bisschen zu verkleiden und jeden Tag eine andere Hülle anzunehmen - das fand und finde ich grandios. Man kann sich schließlich nicht aussuchen, ob man vielleicht seine Nase, Arme, Beine oder Ohren nicht mag, wohl aber, ob man seine Klamotten dufte findet. Ich finde, dass man durch seine Kleidung so viel über sich erzählen kann. Kleider haben die Macht, dem Träger all das zu verleihen, was er selbst oder der Betrachter in sie hinein liest. Wenn das ganze dann auch noch unangestrengt und natürlich rüberkommt: Jackpot!

Streetstyle-Bilder von Facehunter, 2007





Fast Forward many years. Mein Instagram-Feed zeigt mir im Minutentakt unentwegt Outfitposts. Wer sind diese gutaussehenden tollen Girls, die auf Instagram jeden Tag Bilder von sich in ihren Designerteilen in fancy Städten oder an fancy Stränden posten? Das meine ich gar nicht missgünstig oder zynisch - ich folge 'denen' ja immerhin. Dazu zwingt mich keiner. Ich schau mir das auch gerne an und auch heute noch sind auch diese Bilder Inspirationsquellen.

Nur manchmal stell ich mir so Fragen. Zum Beispiel... Was arbeiten die denn? Können sich wirklich tausende und abertausende Frauen Mitte zwanzig allein durch Bloggen solch einen Lifestyle finanzieren? Und ist das eine total blöde Frage? Rackern die sich vielleicht tatsächlich von morgens bis abends richtig ab und erarbeiten sich das alles hart? Und wer macht diese Fotos? Mal ganz im Ernst, steht da den ganzen Tag eine Freundin oder Praktikantin auf Abruf bereit und folgt besagten Damen auf Schritt und Tritt, während sie ständig Fotos machen muss? Und was haben die dann eigentlich an?


4 Kommentare:

  1. Ein sehr schöner Post mit echt ernstem Hintergrund. Der sich auch auf andere Themen umschreiben lässt. Zum Beispiel Einrichtung. Auch ich frage mich immer, wie machen die das bloß? All das teure Designer-Zeugs. Super schön und ich schaue fleißig. Und einiges findet sich auch bei uns. Aber wie bezahlt (wenn ich dann noch weiß, da geht nur einer arbeiten, mit 3 Kindern, ...)? Und echt immer selber dekoriert?

    Nicht falsch verstehen. Ob Klamotten oder Einrichtung - ich fühle mich nie minderwertig. Ganz im Gegenteil - oft finde ich cool, nicht dem Mainstream zu entsprechen (das ist ja gerade das Coole, nicht wahr). Aber eben wie Du ... es ergeben sich Fragen.

    Meinst Du, wir bekommen mal eine Antwort? Irgendwann?

    Mit 80er Jahre-Palme auf dem Kopf und Socken in Flipflops grüßt Dich herzlich,
    Steph

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    1. Stimmt, das lässt sich tatsächlich auf so viel mehr übertragen. Ein bisschen neidisch bin ich dann schon manchmal!

      Ich warte sehnsüchtig auf die erste Gewerkschaft der Personen hinter den Kameras :P

      Grüße zurück!

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  2. Hey Schätzchen, klasse Artikel!!! Wieso weiß ich erst jetzt dass du diesen schönen Blog hast???
    Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, warum Leute denken, Mode sei etwas oberflächliches. Ich traue mich zu sagen, dass Mode ist wie Kunst oder wie Musik! Es geht um Stil, Komposition, Geschmack, Farbe - und alle drei richten sich nach Trends, oder eben nicht, manches ist zeitlos.

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    1. Da geb ich dir recht: auch gut gekleidet sein ist eine Art Kunstform und erzählt einem ja auch so viel über den Träger oder die Trägerin!

      Schön, dass es dir hier gefällt, ist alles noch ganz 'frisch gestrichen' und ich muss das noch ein bisschen üben ;)

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